Kommunikation ist die Grundlage und der Treiber jeder geschäftlichen Aktivität. Genau dieses propagiert auch das Cluetrain Manifesto prominent als erste These: „Märkte sind Gespräche“. Somit kann man ableiten, dass Kommunikationsroboter bzw. Chatbots Märkte sind.

Mit ELIZA fing alles an …

Chatbots sind seit einigen Jahren das neue Schlagwort, wie Kommunikation automatisiert werden kann. Den ersten Ansatz lieferte Joseph Weizenbaum mit dem ersten Chatbot ELIZA. Dieses war ein Computerprogramm, welches mit unterschiedlichen Skripten verschiedene Gesprächspartner simulieren konnte. Das Programm basierte auf einfachen Regeln und reagierte auf bestimmte Schlüsselbegriffe. Bekannt wurde ELIZA durch die Simulation eines Gespräches mit einem Psychotherapeuten. Weizenbaum war entsetzt, wie viele Dinge die Nutzer von sich aus durch einen automatisierten Dialog von sich preisgeben.

Screenshot eines Chatverlaufs mit dem Chatbot ELIZA. Bildquelle ist WikipediaÜbertragen aus en.wikipedia nach Commons., GPL, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2236326

Sprache ist das User Interface

In den letzten Jahren wurde Sprache als die Schnittstelle zum Nutzer deutlich besser entwickelt. So gibt es auf fast allen Smartphones sprechende Assistenten, die dem Nutzer weiterhelfen. Siri, S-Voice und Google Now liefern nicht nur eine Antwort, sondern beantworten die Frage im Kontext. So erhält man gleich die Routenbeschreibung zu einem gesuchten Restaurant, wenn man sich in der Nähe befindet (Leseempfehlung: Vergleich zwischen Google Now und Siri).

Screenshot eines Smartphone-Bildschirms mit Google Now Assistent

Bildquelle: Google Now Assistent: https://www.androidpit.com/google-now-vs-siri-comparison

Diese Assistenz-Systeme können zunehmend die natürlich gesprochene Sprache des Nutzers analysieren und interpretieren. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch Amazons Alexa zu nennen. Alexa ist die virtuelle Assistentin von Amazon. Zurzeit ist Alexa mit den Echo-Geräten nutzbar.

In den kommenden Wochen wird Alexa auch in jeder Amazon App und im Fire TV Stick integriert sein, d. h. somit kann jeder Nutzer ganz ohne spezielle Hardware mit Alexa kommunizieren und die Dienste hierüber nutzen, wie z. B. Licht- und Musiksteuerung oder E-Commerce- und Lieferdienste.

Die Berliner BVG ist mit der Nutzung ihres Dienstes, der über Alexa verfügbar ist, sehr zufrieden. Fast 9.000 Nutzeranfragen beantwortete Alexa für den BVG in diesem Februar, Tendenz steigend. (Leseempfehlung: Wie Marken und Medien Amazons Sprachassistentin nutzen)

Chatbots – das neue Callcenter

Vor einem Jahr führte Facebook die Möglichkeit ein, sogenannte Chatbots in Facebook zu integrieren. Diese Kommunikationsroboter basieren auf dem gleichen regelbasierten Prinzip wie ELIZA, Siri oder Alexa. Innerhalb von einem guten halben Jahr wurden für Facebook bzw. genauer den Facebook Messenger ca. 34.000 Chatbots entwickelt (Stand November 2016).

Kommunikationsroboter beginnen zunehmend nicht nur Standardfragen zu beantworten, sondern können natürliche Spracheingabe verstehen und entsprechend auch gleich bestimmte Aktivitäten auslösen.

Der Nutzen liegt auf der Hand. Eine automatisierte Kommunikation ist weltweit zu jeder Zeit erreichbar und ohne Mehraufwand skalierbar. In folgenden Bereichen können und werden Chatbots unterstützen:

  • Auskunft & Informationen
    Chatbots können aufgrund der guten Abbildung von Fakten und Regeln automatisiert Auskünfte und Informationen geben. Dieses kann neben der nächsten U-Bahn in Berlin oder beispielsweise auch die Warenverfügbarkeit von Produkten der Filiale vor Ort sein.
  • Schulung
    Wenn Informationen und damit eine Wissensbasis zur Verfügung steht, ist es auch möglich, dieses Wissen als Schulung via Chatbots anzubieten. So können Interessierte oder Mitarbeiter kontextabhängig Wissen abrufen bzw. der Chatbot präsentiert im Dialog verschiedene Informationen hinsichtlich eines bestimmten Schulungs- und Kompetenzziels.
  • Beratung
    Eine Beratung berücksichtigt immer die persönliche Situation des Nutzers und dessen Bedürfnis. Beides kann gut via einem Chatbot abgefragt und ausgewertet werden. In der Regel erfolgt die Beratung in vielen Fällen anhand von Entscheidungsbäumen, diese werden als regelbasiertes Wissen hinterlegt, so dass der Chatbot dieses Regelwerk dialogbasiert abfragt. Je nach Fragestellung kann das Ergebnis als Grundlage für eine persönliche Beratung mit einer realen Person sein oder der Chatbot kann auch gleich selbst ein Ergebnis dem Nutzer mitteilen.
  • Autonome Assistenz
    Noch einen Schritt weiter gedacht, ist eine persönliche autonome Assistenz denkbar. Der persönliche Chatbot kann auf Basis der Informationen des Nutzers über Verfügbarkeiten und Präferenzen selbst Termine vorschlagen oder sogar arrangieren.

Chatbots – überall und jederzeit

Bei dieser Vielzahl von Chatbots gibt es mittlerweile zu jeder Fragestellung einen Chatbot. So hilft der Chatbot „Dinner Ideas“ dabei, was man mit den vorhandenen Lebensmitteln zu Hause kochen kann. Man teilt dem Chatbot seine möglichen Zutaten mit und der Kommunikationsroboter schlägt dann mehrere mögliche Gerichte vor.

Dinner Ideas - Chatbot

Screenshot von „Dinner Ideas“: https://www.messenger.com/t/DinnerIdeasBot

Hier sind nicht nur Regeln hinterlegt, sondern auch eine Rezeptdatenbank. Ein Schritt mehr in Richtung künstlicher Intelligenz wäre, dass je nach Auswahl des Rezepts beim nächsten Mal nutzerpräferierte Gerichte vorgeschlagen werden.

Spannend ist der Ansatz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Mit dem rein digitalen Jugendsender funk spricht ARD & ZDF die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ausschließlich auf den Online-Kanälen an. Hier hat der NDR den Chatbot „Novi“ entwickelt, der die wichtigsten Nachrichten des Tages automatisch im Messenger zustellt. Auch besteht die Möglichkeit, sich bestimmte Sachverhalte erklären zu lassen.

Novi - Chatbot

Screenshot von „Novi“: https://www.messenger.com/t/getnovibot

Dabei greift der novibot auf Inhalte aus dem Inhaltsnetzwerk des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zurück.

Einen ungewöhnlichen Ansatz verfolgt „Joy Labs“ Dies ist ein Multiplayer-Real-Life-Spiel, in dem die Nutzer täglich eine Mission im alltäglichen Leben erfüllen müssen, um authentische Freude zu erleben. Momentan pausiert der Bot. Wir gehen aber davon aus, dass der Chatbot in ähnlicher Weise fortgeführt wird. Die Wachstumsrate bei diesen Dienst betrug in den letzten Wochen ~10% pro Woche.

Joy Labs - Chatbot

Sceenshot von „Joy Labs“: https://www.messenger.com/t/joylaboratories

Chatbots – selbst gemacht

So wie die Anzahl der Chatbots in den letzten Monaten anstieg, gibt es mittlerweile einige Entwicklungsplattformen, um Kommunikationsroboter zu entwickeln, z.B. Pandorabots oder Dexter.

IBM bietet eine umfangreiche Plattform an, damit jeder ohne Programmierkenntnisse einen bzw. seinen Chatbot entwickeln kann. Hierzu stellt IBM die Schnittstelle Watson Conversation zu Verfügung. Damit können natürlich-sprachliche Eingaben erkannt und interpretiert werden.

Die Dialoge können hier mit einem “Dialog Builder” abgebildet werden. Der Chatbot kann dann flexibel auf Websites, Messenger-Plattformen oder auch in einem physischen Roboter eingesetzt werden.

Screenshot IBM Watson Conversations

Screenshot von „IBM Watson Conversations“, Quelle: Youtube-Video (nicht mehr verfügbar)

Conversational Marketing – Chatbots sind Profiler

Chatbots werden ohne Frage Funktionen der Kundenkommunikation übernehmen. Heute sind die Dialoge noch sehr regelbasiert und liefern in der Regel nur Fakten und nicht Antworten auf natürlich-sprachliche komplexe Fragestellungen.

Der Chatbot steht im Dialog mit jedem Nutzer und lernt durch die Fragen und Texte des Nutzers, den Nutzer besser zu verstehen und dann auch besser auf seine Fragen zu antworten. Chatbots werden die Profiling-Instrumente der Zukunft sein, da durch die Kommunikation das Profil jedes Nutzers zunehmend verfeinert werden kann. Damit kann der Chatbot bzw. das Unternehmen mit dem Nutzer eine ganz individuelle Kommunikation führen und dabei genau auf die Produkte und Dienstleistungen hinweisen, die der Kunde präferiert.

Das Besondere hierbei ist, dass der Chatbot zudem auch mit einem Sprachstil kommunizieren kann, der dem Sprachstil des Nutzers ähnelt, somit quasi auf „gleicher Wellenlänge“ kommuniziert.

Ausblick

Wenn wir uns die Anwendungsgebiete anschauen, werden Chatbots nicht nur zu virtuellen Callagents. Denkbar wäre auch, dass der persönliche Kommunikationsroboter im Sinne des Nutzers kommuniziert und z.B. bestimmte Produkte einkauft oder selbständig Termine koordiniert. So betrachtet, werden nach unserer Einschätzung Chatbots Silent Commerce im Sinne eines automatisierten Handels befördern.

Ein anderer Aspekt ist die Kopplung mit Augmented Reality. Chatbots können hier gut in VR-Brillen o. ä. integriert werden und der Nutzer kann parallel zu der realen Welt virtuell mit einem Kommunikationsroboter kommunizieren.

Bots werden an Bedeutung gewinnen und bald zum Standard im Kommunikations-Mix von werbetreibenden Unternehmen gehören.