Eine Mischung aus Start-up und Familienunternehmen – so beschreibt der erste Geschäftsführer Friedhelm Theis die heutige T-Systems Multimedia Solutions GmbH (MMS) in ihren Anfangsjahren. Er hatte 1994 den Auftrag erhalten, die MMS als Telekom-Tochter neu zu gründen. Dabei gab viele Herausforderungen zu bewältigen.


Herr Theis, wie kam es zur Gründung der MMS?

Im Frühjahr 1994 erhielt ich den Auftrag, eine Vorstandsvorlage zur Gründung einer Tochterfirma für „Services zum interaktiven Fernsehen“ zu erstellen. Ich war damals Fachbereichsleiter Informationsmanagement bei der Telekom in Bonn. Da das Thema damals ganz neu war, musste ich mich erst einmal schlau machen, worum es genau geht. Im November 1994 haben wir die Vorlage durch den Telekom-Vorstand gebracht und am gleichen Tag fragte mich Technik-Vorstand Hagen Hultzsch, ob ich MMS-Geschäftsführer werden will. Ich habe noch mal darüber geschlafen, mit meiner Frau gesprochen und dann zugesagt. Am 9. Januar 1995 wurde dann die „Multimedia Software GmbH Dresden“ ins Handelsregister eingetragen, am 1. März gingen wir mit etwa 15 Mitarbeitern an den Start.

Die beiden Geschäftsführer Joachim Niemeier und Friedhelm Theis

Wie verlief der Start?

Nachdem Stellenanzeigen in der Telekom-Mitarbeiterzeitung und der Presse in Dresden geschaltet wurden, erhielten wir Waschkörbe-weise Bewerbungen. Wir stellten dann fast ausschließlich Absolventen ein und waren damit eine echte Turnschuh Company. Das Durchschnittsalter lag bei 24.

Ich war dabei auch Mittler zwischen Telekom-Konzern und MMS. Und Joachim Niemeier, der im März 1995 als Geschäftsführer dazustieß, hatte die Kontakte zur Industrie. Er kam vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation Stuttgart. Zunächst haben wir die ersten Büros neben dem Astron-Hotel in der Fritz-Reuter-Straße (heute NH-Hotel) eingerichtet, am Standort der Dresdner Telekom-Niederlassung. Im August 1995 zogen wir dann in die Riesaer Straße 5, wo die MMS heute noch sitzt.




Wie haben Sie die Anfangsjahre der MMS erlebt?

Jeder Tag war spannend, in den Anfangsjahren hatten wir mit Widrigkeiten an mehreren Fronten zu kämpfen. Wir sind sehr schnell gewachsen. Bereits Ende 1995 hatten wir 65 Mitarbeiter. Da war es gar nicht so einfach, Rechner nachzukaufen. Da mussten die Kollegen bei Arbeitsbeginn schon mal eine Woche warten, ehe sie einen eigenen PC bekamen. Doch zum Glück hatten wir gute Kontakte zu den PC-Herstellern Sun und Siemens, die uns pragmatisch halfen und schnell lieferten.

Warum wurde die MMS eigentlich in Dresden gegründet?

Der Raum Dresden galt schon damals als eine Art deutsches Silicon Valley mit innovativen Unternehmen, hervorragenden Fachkräften, Universitäten und Hochschulen.

Die 33 MMS-Mitarbeiter im Juli 1995 – zwölf von ihnen sind noch heute dabei.

Ursprünglicher Auftrag der MMS war es, multimediale Software für interaktives Fernsehen zu entwickeln. Wie ging es weiter?

Das Internet spielte damals für solche multimedialen Anwendungen kaum eine Rolle, dazu war die Bandbreite zu gering. Während das Internet damals schon in Forschungseinrichtungen genutzt wurde, gab es vor 25 Jahren kaum Unternehmen, die auf das Internet setzten. Doch schon bald sollten wir unsere Kompetenzen auch für die Entwicklung von damals neuartigen Internet-Anwendungen für Unternehmen einsetzen. Das entwickelte sich dann erfolgreich zum MMS-Kerngeschäft.

Sicher war es Mitte der 1990er Jahre gar nicht so einfach, anderen Leuten zu erklären, was wir machen?

In der Tat. 1996 erhielt ich die Einladung eines Dresdner Hotels zu einem Kundenevent. Beim anschließenden Smalltalk gesellte sich der Vertriebschef einer Sächsischen Brauerei zu uns. Irgendwann kam die Frage auf, was denn die MMS so macht. Wir erklärten ihm grob unser Geschäft. Dann erzählten wir ihm von unserem Geheimprojekt „Bier-online“, das noch nicht einmal der Telekom-Vorstand kenne. Wir berichteten von Versuchen, das Bier im Fass zu digitalisieren, um es dann über das Telekom-Netz zum Kunden zu bringen, der es sich dann zu Hause oder in der Gaststätte abfüllen kann. Unser Gesprächspartner fand das sehr interessant und sagte: „Wenn Sie soweit sind, wäre das etwas für uns, um Transportkosten einzusparen.“ Wir antworteten: „Wir kommen auf Sie zu. Aber das läuft nur im Netz der Deutschen Telekom.“ Der Mann hat uns das wirklich geglaubt und wartet sicher heute noch auf unseren Anruf 🙂

Was ist Ihnen persönlich besonders in Erinnerung geblieben?

Die Gründungsjahre waren toll, es herrschte Aufbruchstimmung. Die Mannschaft war ganz jung, alle haben für die MMS gelebt. Wenn es eng wurde, haben alle länger gemacht, die Leute waren mit Herzblut dabei. In der Rückschau war ein großer Anteil der Kolleginnen und Kollegen von 1995 sehr lange dabei und ist es zum Teil noch heute. Das war eine Konstanz, die etwas von der Verbundenheit eines Familienunternehmens hat, das war Klasse. Auch wenn ich Jahre später mit hochkarätigen Besuchern in die MMS nach Dresden kam, war es ein Running Gag, wenn die Kollegen sagten: Herr Theis hat mich eingestellt, ich bin schon so und so viele Jahre dabei.

Fiel Ihnen der Abschied im April 1998 schwer?

Ja, auch wenn ich eine spannende internationale Aufgabe bekommen habe, ging ich schweren Herzens.

Was machen Sie heute?

Als „Unruheständler“ bin ich heute als Beirat in drei Start-Ups tätig.