Ralph Sonntag | HTW Dresden

Das Leben in der Stadt nimmt zu. Während 1950 noch 30% der Weltbevölkerung in Städten lebten, wird für 2050 erwartet, dass 2/3 der Bevölkerung in Städten leben wird. 2007 überstieg die Zahl der weltweit in Städten lebenden Menschen die der Landbevölkerung. (siehe Studie des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung)

In Deutschland spiegelt sich diese Urbanisierung ebenfalls wider. So lebten 2000 73% der Bevölkerung in Deutschland in Städten, 2016 waren es bereits 75,5%.

Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt sehr deutlich den Wachstumstrend in den Ballungsräumen und Städten, wie z. B. Hamburg, Berlin, Köln, Rhein-Main-Gebiet, Stuttgart und München.

https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung/pid/demographischer-wandel-verstaerkt-unterschiede-zwischen-stadt-und-land[/caption]

Dieser weltweite Urbanisierungstrend bedeutet für schrumpfende Landregionen, eine funktionierende Infrastruktur hinsichtlich Mobilität, schnelles Internet, Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Hier ist auch die Erreichbarkeit und Nutzung von Angeboten innerhalb der Ballungsräume wichtig. Hingehend werden die Städte und Ballungsräume weiter wachsen und werden so vielfältiger und vernetzter. Zugleich sollen die Städte lebenswerter werden. Smart City setzt genau hier an.

Smart City

Unter Smart City werden Entwicklungskonzepte für zukünftige Städte und Ballungsräume verstanden, um die Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozial inklusiver zu gestalten. Wichtig dabei ist die gesamtheitliche Betrachtung von technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten.

Roland Berger hat letztes Jahr die Smart-City-Strategien weltweit von Städten untersucht. 87 Städte haben bereits ein explizites SmartCity-Konzept, davon sind 39 Städte in Europa, 26 in Asien, 17 in Nord-, Mittel- und Südamerika sowie 5 im Nahen Osten und Afrika.

Die gesamtheitliche Betrachtung von Entwicklungen von Smart City können grob in folgende Bereiche unterteilt werden:

  • Stadtverwaltung, Politik
  • Gesundheit
  • Bildung
  • Gebäude
  • Mobilität
  • Energie und Umwelt

https://www.rolandberger.com/publications/publication_pdf/ta_17_008_smart_cities_online.pdf

Bei dieser Studie wurden die Städte hinsichtlich der konkreten Smart City – Aktivitäten verglichen. Am fortschrittlichsten werden die Aktivitäten von Wien beurteilt, gefolgt von den Smart City-Engagements in Chicago, Singapur, London, Santander und New York.

Das Ziel der Smart City Wien ist die „Sicherstellung der besten Lebensqualität für alle Wienerinnen und Wiener bei größtmöglicher Ressourcenschonung. Das soll mit umfassenden sozialen und technologischen Innovationen gelingen.“

Im Nachfolgenden stellen wir einige Beispiele vor, wie vielfältig Smart City-Lösungen bereits aussehen.

Energie

In Monheim, einer Kleinstadt zwischen Düsseldorf und Köln, werden verschiedene Smart-City-Aktivitäten umgesetzt. So existiert ein flächendeckendes Highspeed-WLAN im gesamten Stadtgebiet.

Ein interessanter Ansatz ist hierbei das Smart Lighting, die Vernetzung von Straßenlaternen. Die LED-Laternen sparen ~70% der Energie und sind untereinander vernetzt. So können diese ganz individuell angesteuert werden. Die Leuchten sind zudem mit zwei verschiedenen Weißtönen ausgestattet, so dass diese mehr warmes oder kaltes Licht scheinen lassen können. Durch die Vernetzung können die Laternen untereinander kommunizieren und auch selbst einen möglichen Ausfall bzw. notwendige Reparaturen melden. Diese Straßenlaternen ermöglichen dann als Infrastruktur auch weitere Möglichkeiten vor Ort wie z.B. eine CO2-Messung oder einen Bewegungsmelder. Durch die Stromversorgung und die Vernetzung sind so vielfältige Internet of Things – Anwendungen denkbar und möglich.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

PGlmcmFtZSB3aWR0aD0iNTYwIiBoZWlnaHQ9IjMxNSIgc3JjPSJodHRwczovL3d3dy55b3V0dWJlLW5vY29va2llLmNvbS9lbWJlZC9NRU9MY0FCTW9Taz9yZWw9MCZhbXA7Y29udHJvbHM9MCZhbXA7c2hvd2luZm89MCIgYWxsb3dmdWxsc2NyZWVuPSJhbGxvd2Z1bGxzY3JlZW4iIGZyYW1lYm9yZGVyPSIwIj48L2lmcmFtZT4=

Im Oktober 2017 wurde im Rahmen der Gashandelskonferenz Emart in Amsterdam der erste Gashandel unter Nutzung der Blockchain-Technologie auf der Handelsplattform Enerchain durchgeführt. Der Stromversorger „Wien Energie“ hatte diese Plattform als erstes Unternehmen für ein realen Kauf von Gas genutzt.

Im Rahmen von Smart City hat nun das Unternehmen „Wien Energie“ Anfang 2018 ein Projekt gestartet, um für ein Pilot-Stadtviertel neue innovative Energie-Tarife und Solarstrom-Modelle zu testen. Basis für diese neuen Produkte und Dienstleistungen sowie die Prozesse der Einspeisung und Nutzung für Energie ist eine Blockchain-Infrastruktur.

Energieversorgung mit Blockchain

Das folgende Beispiel verdeutlicht sehr gut den Mehrwert dieser blockchain-basierten Plattform. Eine E-Ladestation kann mittels Blockchain und automatisierten Verträgen den Strom sowohl von Solaranlagen aus dem Stadtviertel direkt als auch vom Energiegroßhandel in Leipzig beziehen und weiter an ein Elektroauto leiten, damit dieses geladen wird. Diese Prozesse geschehen dabei vollautomatisch.

Gesundheit

Viele Städte tragen die verfügbaren Daten aus dem Bereich Gesundheit zusammen und stellen diese zielgruppenorientiert zur Verfügung. Dieses ist eine konsequente Nutzung von Open Data von frei verfügbaren Daten.
In Chicago werden die verschiedenen verfügbaren Daten zusammengetragen und die Bürger können sich online über einen Gesundheitsatlas über Gesundheit und Anbieter in der Stadt umfassend informieren, wie z.B. Krankenhausaufnahmen, Geburtenraten, Ernährungsgewohnheiten.

In Singapur gibt es ebenfalls ein Gesundheitsportal für die Bevölkerung, den HealthHub. Dieser Hub dient als digitaler Begleiter für das Thema Gesundheit für jeden Bürger. Neben ähnlichen Angeboten wie in Chicago können hier Nutzer auf Impfprotokolle, persönliche Krankenhausakten, Labortestergebnisse und Termine bei öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zugreifen.

singapore-releases-online-health-records-to-citizens

Inklusion

Gerade Technologien bieten Unterstützung von Menschen mit Beeinträchtigungen. So bietet Soest seit einigen Jahren verschiedene Lösungen an, damit blinde und sehbehinderte Menschen sich besser in der Stadt zurecht finden.

Mithilfe der Apps des Projekts „Guide4Blind“ werden insbesondere blinde oder sehbehinderte Menschen innerhalb eines Korridors von wenigen Dezimetern geleitet und zu Zielen innerhalb der Stadt geführt. Droht der Benutzer diesen Korridor zu verlassen, gibt das Smartphone Anweisungen und Hilfestellung bei der Wegführung.

Die Basis und Technologien zur Realisierung sind u.a.:

  • blindengerechte kartografische Daten
  • satellitengestützte Positionierungs- und Korrekturverfahren
  • sehr genaue Vermessung
  • Ortung in Gebäuden mithilfe von Funktechnologien

Die Stadt Soest bietet auch anderen Städten an, die Erfahrungen hier zu teilen, damit auch an anderen Orten eine inklusive Smart City entstehen kann.

Mobilität

Mobilitätskonzepte gibt es für jede Stadt. Kern dieser Konzepte ist die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs vor dem Hintergrund des Anstieges des innerstädtischen Verkehrs.

In Singapur wurde vor wenigen Wochen eine Bushaltestelle (Airbitat Oasis Smart Bus Stop) in Betrieb genommen, die kühle Luft den Wartenden spendet und zugleich durch Kameras das Umfeld der Bushaltestelle monitort. Dadurch können verdächtige Gepäckstücke oder auffälliges Verhalten erkannt werden.

Solche Lösungen und Projekte tragen dazu bei, dass die Attraktivität und die Sicherheit des ÖPNV steigen. Ein anderer Ansatz ist die Verringerung der Verkehrs- und Umweltbelastung bei notwendigen Lastentransporten innerhalb einer Stadt. Durch E-Commerce und Lieferdienste wächst gerade das Transportaufkommen innerhalb der Stadt und damit auf der sogenannten letzten Meile.

Das Startup Tretbox aus Berlin, welches in dem Inkubator der Gläsernen Manufaktur Dresden gerade seine Idee weiterentwickelt, baut ein Cargo-EBike. Dieses EBike soll gerade für Lastenfahrten im innerstädtischen Bereich den Verkehr und die Umwelt entlasten (weitere Informationen).

Identifikation

Die verschiedenen Dienstleistungen und Anwendungen innerhalb von Smart City sind primär für die Bürger konzipiert. Eine Smart City ist ein Ökosystem mit unterschiedlichen Partnern und Angebote. Idealerweise gibt es eine verlässliche Zugangsinfrastruktur, um Angebote der Stadtverwaltung (E-Government), ÖPNV, Bibliotheken, Auto- und Fahrradverleih, Sportstätten etc. zu nutzen

Das Blockchain Lab der T-Systems Multimedia Solutions hat auf dem Mobile World Congress 2018 das Konzept des City Passes vorgestellt. Dieser Pass basiert auf der Blockchain-Technologie und ermöglicht den Partnern einer Smart City eine gemeinsame offene Plattform zu nutzen, um die Identifikation und den Zugang der Bürger für die verschiedensten Dienste sicherzustellen. Diese Lösung ermöglicht nicht nur einen einheitlichen Zugang. Über den City Pass können auch Transaktionen zwischen den Partnern abgewickelt werden. Diese Lösung ermöglicht nicht nur einen einheitlichen Zugang. Über den City Pass können auch Transaktionen zwischen den Partnern abgewickelt werden.

Partizipation und Wahlen

In Estland können die Bürger schon seit 2005 neben der Wahl in einem Wahlbüro vor Ort online wählen, welches zunehmend von den Bürgern wahrgenommen wird.

Moskau hat im Dezember 2017 eine Plattform gestartet, auf dem die Bürger Moskaus an Umfragen teilnehmen können. Die Plattform basiert auf der Blockchain-Technologie, um die Abstimmungsergebnisse fälschungssicher zu dokumentieren. Jede Abstimmung wird als Smart Contract des Bürgers und der Abstimmung abgelegt.

Das Projekt des Bürgermeisters Moskau

Rahmenbedingungen und Ausblick

Häufig werden in Smart-City-Konzepten die technischen Möglichkeiten fokussiert. Essentiell ist, dass für eine Smart City ganzheitlich unter Berücksichtigung von gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen Dimensionen gedacht, konzipiert und umgesetzt wird.

Aus unserer Sicht sind zwei wesentliche Faktoren zu beachten:

    1. Eine Ausrichtung an den relevanten Bedürfnissen der Bürger ist der Erfolgsfaktor für Smart-City-Lösungen. Ein sinnvoller Schritt hier ist der frühzeitige Aufbau von Beteiligungsplattformen für Bürger.
    2. Ein anderer wichtiger Faktor ist eine flexible und skalierbare Integration von Partnern. Hier sind verlässliche Plattformen, z.B. auf Basis von Blockchain, die Zurverfügungstellung von verfügbaren Daten (Open Data) sowie Schnittstellen notwendig.